Die Entwicklung der fotografischen Apparate und der fotochemischen Materialien war darauf ausgerichtet, eine fotografische Abbildung mit höchster Präzision zu erreichen. Material, wie Filme und Papiere, die chemischen Verbindungen für Entwicklungsprozesse in der analogen Fotografie, hochauflösende Objektive und Kameras – Ziel war stets ein Ergebnis mit maximaler Schärfe bei maximal erreichbarer optischer Auflösung über die gesamte Bildfläche.
Im Zeitalter die digitalen Fotografie hat sich diese Entwicklung nahtlos fortgesetzt. Die Sensoren in den Kameras wurden immer wieder mit mehr und mehr Pixel versehen. Die Sensoroberfläche wurde zunehmend größer, um möglichst viele Details so scharf wie möglich abbilden zu können. Die Objektive wurden optimiert, neue Beschichtungen aufgetragen, bestes, computergeschliffenes Glas verwendet, präzise bis in die Randbereiche berechnet – alles für eine hohe Abbildungsqualität. Jedes noch so winzige Detail sollte möglichst sichtbar werden. Der abgebildeten Realität, was auch immer das ist, wird bis aufs Haar nachgespürt. Die Darstellung der Wahrhaftigkeit ist das Ziel aller Bemühungen - bis ins kleinste Detail.
Nun gelten aber auch hier die Gesetze der Optik. Arbeitet man mit offener Blende wird jede Schärfe durch eine Unschärfe begleitet. Ein scharfer Vordergrund hat einen unscharfen Hintergrund zur Folge. Eine Schärfe auf der Augenpartie bedingt in der Portraitfotografie Unschärfe im Nasen- oder Ohrbereich. In der Landschaftsfotografie bewirkt ein scharfer Vordergrund einen im Unschärfebereich liegenden Horizont und umgekehrt.
Sich mit den Unschärfebereichen eines Bildes auseinander zu setzen, den nicht klar definierten Bildteilen, den scheinbar etwas Imaginäres innewohnenden Formen und Inhalten auf den Grund zu gehen, ist das Anliegen dieser hier gezeigten Arbeiten.
Unschärfe abstrahiert und konkretisiert, sie verklärt. Unschärfe verwandelt Abgebildetes in Projektionsflächen des Betrachters, aufbauend auf individuellen (Seh) Erfahrungen. Sie reduziert auf Grundformen des Abgebildeten. Ein Haus wird auf geometrische Flächen, eine Landschaft auf ineinander greifende, autonome Flächen reduziert. Diese Reduktion nähert sich dem Wesentlichen des Abgebildeten.